"Südwest
Presse" vom 10.09.09. Autor: Roland Müller
Flughäfen
verbrennen Steuergelder
Länder
machen sich mit Subventionen Konkurrenz - Friedrichshafen
leidet unter Memmingen
Es ist ein
subventionierter Wettkampf um Passagiere: Im Südwesten
machen sich Flughäfen mit Steuer-Millionen gegenseitig
Konkurrenz. Umweltschützer fordern, den klimaschädlichen
Wettlauf zu stoppen.
Stuttgart
Für nur 25 Euro mit Ryanair nach Spanien, tolle Parkplätze,
steigende Passagierzahlen - der 2007 eröffnete Allgäu-Airport
im bayerischen Memmingen gilt als Erfolgsgeschichte. Der Sonthofener
Grünen-Landtagsabgeordnete Adi Sprinkart sieht das anders:
"6,5 Millionen Euro Verlust in zwei Jahren ist ganz schön
viel Holz, wenn man bedenkt, dass 20 Millionen in den Flugplatz
investiert wurden", sagt der Flughafen-Kritiker. Bauchgrimmen
verursacht ihm auch das Engagement des Freistaats Bayern, der
zur 7 Millionen Euro schweren Abschubfinanzierung weitere 3,3
Millionen, unter anderem für Personalkosten, versprochen
hat. "Da wird mit Steuergeldern subventioniert, dass Urlauber
billig ans Mittelmeer fliegen können", sagt Sprinkart.
Nicht nur in Bayern ist der Flugplatz umstritten. Auch im Luftlinie
nur 63 Kilometer entfernten Bodensee-Airport in Friedrichshafen
wird mit den Zähnen geknirscht. Eine Million Euro Verlust
musste Geschäftsführer Hans Weiss für 2008 verkünden,
für 2009 müsse man mit einem Minus von 1,5 Millionen
rechnen. Die Gründe sind der krisenbedingte Rückgang
der Fluggäste - und die neue Konkurrenz in Memmingen. "Wenn
in jedem Flugzeug Passagiere fehlen, dann tut das auf Dauer
weh", sagt Weiss. Zumal der Allgäu Airport mit dem
Billigflieger Tuifly identische Reiseziele anbiete wie Friedrichshafen
- aber eben deutlich billiger. Weiss: "Es gibt ein ungesundes
Tarifgefälle." Die Probleme haben Weiss dazu veranlasst,
nun seinerseits finanzielle Hilfe vom Land zu fordern. "Die
Anfrage wurde aber als aussichtslos zurückgewiesen",
sagt Weiss. Baden-Württemberg gebe keine Zuschüsse
zu Betriebskosten - im Gegensatz zur Praxis in anderen Ländern,
die den Flughäfen im Südwesten teils direkt an der
Grenze Konkurrenz machen. "Man muss schon hinterfragen,
ob zwei derart kapitalintensive Einrichtungen auf weniger als
100 Kilometer Distanz eine Daseinsberechtigung haben",
sagt Weiss.
In der Politik werden solche Fragen meist nicht gestellt. "Die
Regionalflughäfen werden stets von regionalen Politikern
forciert, die dafür so viele Fördermittel wie möglich
abgreifen", sagt Matthias Lieb vom umweltorientierten Verkehrsclub
Deutschland (VCD). Das Land, der Bund oder die EU werden für
Anschubfinanzierungen und Investitionen eingespannt, im laufenden
Betrieb sind oft die Kassen der Städte und Landkreise gefragt,
die meist an den Betreibergesellschaften beteiligt sind. "Das
läuft dann unter Wirtschaftsförderung", sagt
Lieb. Dabei schreiben fast alle Regionalflughäfen in Deutschland
Jahr für Jahr Verluste. "Baden-Württemberg ist
da relativ zurückhaltend", sagt der Grüne Martin
Hilger. "Aber wir werden mit betroffen von dem Unfug, den
andere treiben, in Memmingen, Zweibrücken, Hahn und am
Flughafen Niederrhein."
Derweil wird überall kräftig ausgebaut. In Friedrichshafen
entsteht ein neues Ankunftsterminal, der Flughafen Baden-Baden/Karlsruhe
in Söllingen weiht heute eine neue, 60 Millionen Euro teure
Startbahn ein. Auch Memmingen wird laut Experten nicht mehr
lange auskommen, ohne die Start- und Landebahnen, die noch aus
Zeiten des Militärflugplatzes stammen, kostspielig zu sanieren.
Eine zweite Startbahn in Stuttgart war lange Zeit im Gespräch,
scheiterte aber am Widerstand der Bevölkerung.
Es ist vor allem der Billigflieger-Boom und der damit verbundene
Anstieg der Passagierzahlen, der die Regionalflughäfen
in den Fokus rückt. Wegen des Überangebots an Landeplätzen
lassen sich die meist kommunal getragenen Flughafengesellschaften
aber leicht gegeneinander ausspielen. "Die Flughäfen
werden von den Billigfliegern erpresst: Falls die Gebühren
nicht niedrig gehalten werden, drohen sie mit dem Weggang",
sagt Lieb. "So kommt es zu einem Subventions-Wettlauf auf
Kosten der Steuerzahler." Die Beihilfen, die die Flughäfen
den Airlines zum Teil pro Passagier oder als Zuschuss zum Kerosinverbrauch
bezahlen, werden viel kritisiert und sind wegen der Wettbewerbsverzerrung
ins Visier der EU geraten. Auch die Bundesregierung will den
Bau der Regionalflughäfen nun bremsen und Beihilfen eindämmen.
Der Flughafen-Bau "ausschließlich aus regionalen
oder lokalen Erwägungen" sei nicht vertretbar, heißt
es dazu im Konzept der Regierung.
Ein Problem sind nach Ansicht vieler Kritiker die Wachstumsraten,
mit denen die Flughäfen in Zukunft rechnen. So geht man
am Flughafen in Söllingen, der über Jahre ein Millionengrab
war, davon aus, die Passagierzahlen in den nächsten zehn
Jahren zu verdoppeln. Im Südwesten sollen insgesamt bis
2025 statt 6 Millionen Fluggästen satte 14 Millionen in
die Luft gehen. "Diese Wachstumskurven sind unrealistisch,
wir werden beim innereuropäischen Flugverkehr eher eine
Stagnation sehen", sagt Hilger. Schließlich müsse
der Flugverkehr irgendwann in die Maßnahmen zum Klimaschutz
einbezogen werden. Bei Flügen ins außereuropäische
Ausland sei noch Luft nach oben. "Aber davon bekommt kein
Regionalflugplatz etwas ab." Selbst der Friedrichshafener
Flughafen-Manager Weiss glaubt an eine Beruhigung:. "Der
Zuwachs wird kleiner werden."
Ob die Versprechungen, die sich regionale Politiker oft von
den Flughäfen machen, eintreffen, ist ohnehin fraglich.
In Memmingen etwa war von einem Schub für den Allgäu-Tourismus
in der Region die Rede - diese machen laut einer Erhebung der
FH Kempten aber nur sieben Prozent der ankommenden Fluggäste
aus. Für den Allgäu-Tourismus eine "enttäuschende"
Zahl.
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